Seit 2016 feiert das BVIK Jugendcamp Magdeburg sein alljährliches Sommerfest. „Wir laden Förderer, Nachbarn aus dem Quartier aber auch befreundete Vereine, Mädchen und Jungen aus anderen BVIK Einrichtungen und ehemalige Mitarbeiter wie auch Kinder und Jugendliche die einmal bei uns gelebt haben ein, gemeinsam mit uns zu feiern,“ sagt Taoufiq Elmourabiti, Prokurist und Leiter der Einrichtung. Es sei wunderbar miterleben zu können, wie ehemalige jugendliche Flüchtlinge inzwischen in Arbeit sind, Familien gegründet oder gar Kinder bekommen haben. „Daran sehen wir, dass sich unsere Arbeit hier gelohnt hat.
“Das Sommerfest biete neben Raum für Gespräche auch immer Gelegenheit zum Tanzen und Spielen. Das Besondere, das Buffet wird von den Bewohnern und Erziehern des Magdeburger Jugendcamps selber gestaltet und ist entsprechend vielfältig. So gab es auch in diesem Jahr Spezialitäten aus Indien, Syrien, Afghanistan, Polen, Marokko und Serbien.
Für Prokurist Taoufiq Elmourabiti gehört eine stete Qualifizierung der Mitarbeiter zum Kern guter Arbeit. Aktuell absolvieren zwei Mitarbeiter des Betreuungsteams eine Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher. Das dauert vier Jahr lang, neben dem Job. Grundsätzlich geht es nach seinem Verständnis bei der stationären Hilfe für Kinder und Jugendliche wie auch bei den umA`s um drei wesentliche Dinge. „Erstens die Selbstkompetenz. Ich brauche also das nötige Wissen. Das erzielen die PädagogInnen durch die Aneignung von spezifischem Fachwissen. Zweitens geht um Selbstfürsorge. Der Erhalt der psychischen Unversehrtheit oder die Verhinderung von Burnout ist eine, vielleicht die wichtigste Kompetenz der PädagogInnen. Es geht um einen liebevollen, wertschätzenden, achtsamen und mitfühlenden Umgang mit sich selbst und das Ernstnehmen der eigenen Bedürfnisse.
Und schließlich Drittens geht es um Selbstreflektion: bezeichnet die Tätigkeit, über sich selbst nachzudenken. Das bedeutet, sein Denken, Fühlen und Handeln zu analysieren und zu hinterfragen mit dem Ziel, mehr über sich selbst herauszufinden.“ Das dies nicht immer leicht fällt weiß die 50jährige Nadine Sprenger-Harder nur zu gut. Es sei stets ein Spagat zwischen dem „Muttersein“ und der Heimerziehung. Aber ihre jahrzehntelange Erfahrung in der Heimarbeit mit Kindern und Jugendlichen hilft ihr dabei. Leon sitzt entspannt in seinem Zimmer. Die Schule ist an diesem Tag vorbei, gleich gibt es Mittag. Der Elfjährige lebt in einer Wohngruppe in der BVIK Einrichtung in Hornhausen einem Ortsteil von Oschersleben. In dem Haus werden neben unbegleiteten Minderjährigen Ausländer auch deutsche Kinder zwischen 6 und 12 Jahren betreut. Die Tage sind klar strukturiert. „Wecken, aufstehen, Frühstück. Dann geht es in die Schule. Kommen Sie zurück gibt es Mittagessen, dann ist Hausaufgaben- und Lernzeit, danach Freizeit. Am Abend essen wir gemeinsam Abendbrot,“ sagt Nadine Sprenger Harder. Sie ist seit 5 Jahren die Teamleiterin der Einrichtung. „Das ist die schönste Zeit des Tages, da sitzen alle lange zusammen, reden über den Tag.“ Klare Strukturen im Leben der Jungen und Mädchen zu schaffen, sei unheimlich wichtig. Nadine Sprenger Harder zur Seite steht ein achtköpfiges Erzieherteam, sowie ein Hausmeister und eine Hauswirtschafterin. Ihre Zimmer können die Kinder und Jugendlichen selber gestaltet, das sei wichtig, damit sie sich wohl fühlen, verdeutlicht Prokurist Taoufiq Elmourabiti das Konzept.
Für die gemeinsame Zeit stehen Aufenthaltsräume mit großer Couch, Fernseher und Spielekonsolen zur Verfügung. Regelmäßig sind die Mitarbeiter der zuständigen Jugendämter vor Ort um gemeinsam mit dem Team, Vormünder und den Kindern die weiteren Schritte im Leben der jungen Menschen zu besprechen. „Ziel ist es, dass die Kinder und Jugendlichen nicht länger als zwei Jahre hierbleiben und nach Möglichkeit wieder in ihr Elternhaus zurückkehren können.“ Dazu werden auch manchmal die Eltern in die Gespräche eingebunden. Schritt für Schritt werde dann versucht die Kinder wieder in ihre Familien zu integrieren.
Sören Heller ohne Telefon? Undenkbar. Nahezu unmöglich. Allein an diesem Vormittag habe sein Handy wohl schon 50-mal geklingelt. Da ist eine Mail nicht angekommen, haben die Mitarbeiter ein Anliegen, brauchen Ämter Unterlagen. Sören Heller bewahrt Ruhe. Er ist Teamleiter bei der BVIK Jugendwohngruppe im Erfurter Stadtteil Löbervorstadt. In dem ehemaligen Internat der benachbarten Schule für Gehörlose leben mehr als 20 junge Männer. Die meisten von Ihnen sind Ausländer aus Afghanistan, Syrien, Guinea oder anderen Ländern, viele davon minderjährig. „Die 14 bis 18jährigen leben in einer separaten Wohngruppe. Wer volljährig wird, zieht eine Etage tiefer und bekommt dort in der Regel dann auch ein Einzelzimmer“, erklärt Sören Heller. Eröffnet wurde die Erfurter Einrichtung im September 2023, geleitet wird sie seitdem von Susann Heller. Die staatlich anerkannte Erzieherin trägt zudem die Verantwortung für die umA Einrichtungen, die BVIK Bayern gGmbH und die Warenwert Kaufhäuser in Bayern, die die BVIK 2024 übernommen hat. 22 Mitarbeiter kümmern sich im Schichtsystem rund um die Uhr um die jungen Männer in Erfurt. Die Minderjährigen bekommen Vollverpflegung, müssen zur Schule gehen. Einige würden in ihrer Freizeit Fußball spielen oder auch zum Boxtraining gehen. Es gibt ein gestaffeltes Schichtsystem für das Erzieherteam. So beginnt die Frühschicht 6 Uhr, die Hausmutti beginnt 8 Uhr ihren Dienst. Tagsüber gibt es dann überlappende Schichten bis zur Nachtschicht, in der auch stets zwei Mitarbeiter vor Ort sind.
„Die volljährigen jungen Männer sollen lernen selbstständig zu werden. Sie bekommen Taschengeld und müssen damit auskommen, Essen einkaufen oder was man noch zum Leben braucht. Natürlich unterstützen wir sie dabei“ so Sören Heller. Probleme will Sören Heller nicht verheimlichen, doch die meisten seien dankbar für die Chance, die sie mit der Unterbringung in dieser Einrichtung hätten. „Wir vermitteln ihnen, dass sie willkommen sind, gleichzeitig zeigen wir ihnen natürlich auch die Grenzen auf.“ Ziel sei es, den Jugendlichen nach der Schulausbildung einen Ausbildungsplatz zu vermitteln. Damit hätten sie dann auch eine Bleibeperspektive in Deutschland. Einmal im Monat kommen die Mitarbeiter des Jugendamtes zum Austausch. Das Jugendamt ist in den meisten Fällen auch der Vormund für die umA’s. Zudem erfolgt die Zuweisung der Jugendlichen Ausländern über die Jugendämter. Sören Heller kümmert sich in dem 22-köpfigen Erfurter Team vor allem um die Kommunikation mit den Ämtern, daher auch die vielen Telefonate. Daneben qualifiziert er sich gerade weiter, absolviert eine Ausbildung zum Erzieher. Leonie Seyfarth hat diese bereits abgeschlossen. Sie ist staatlich anerkannte Erzieherin und gehört seit Frühjahr 2025 zum BVIK Team. Die 22jährige ist aus Nordrhein-Westfalen zurück gekehrt in ihre Heimat Erfurt. „Ich habe nach meiner Ausbildung in einem anderen Heim gearbeitet, da hat es mir jedoch nicht gefallen.“ Dann sei sie auf die Stelle bei der BVIK gestoßen und habe sich erfolgreich beworben. „Hier fühle ich mich wirklich sehr wohl, wir sind ein eingespieltes Team. Es ist immer ein Ansprechpartner da, das ist ein schönes Miteinander.“ Als jüngstes Teammitglied musste sie auch lernen mit anfänglichen Schwierigkeiten im Umgang mit den ausländischen jungen Männern fertig zu werden. „Sie testen einen natürlich, aber ich kann mich da ganz gut durchsetzen“ sagt die junge Frau lachend. Zusätzlich zur Jugendwohngruppe in Erfurt Löbervorstadt gibt es seit einigen Wochen noch zwei Außenwohngruppen in der Stadt, in denen über 18jährige Ausländer von der BVIK betreut werden.
Murtaza, ein dünner, hochgewachsener Junge aus Afghanistan kommt auf Krücken gelaufen, bleibt im Türrahmen stehen, begrüßt Edda und Gerald Breiting, sowie Danielle Glöckner in ihrem Büro. Vor wenigen Wochen wurde er am Becken operiert und macht nun erstaunliche Fortschritte. “Viele Jahre seines jungen Lebens hatte er täglich Schmerzen“ erzählt Elli. Eigentlich Danielle, aber alle nennen sie nur Elli. Nun könne Mutarza endlich wieder lächeln. Wie zur Bestätigung huscht ein Lächeln über sein Gesicht, bevor er mit seinen beiden Krücken wieder langsam zurück geht in sein Zimmer. Der 16 jährige Afghane ist einer von 22 Jungs in der BVIK Einrichtung für unbegleitete Minderjährige Ausländer in Halberstadt. Es ist ein ganz normaler Wochentag. Mutarza kann wegen seiner Operation derzeit nicht zur Schule gehen, die anderen Jungs schon. Gegen Mittag kommen die Ersten heim. Die Schule ist gleich um die Ecke.
Hausmutti Silvia Fähse-Kautzsch hat inzwischen das Mittagessen fertig. Es gibt Hamburger, mit Gurken, Tomaten und allem was dazu gehört. Vier Mahlzeiten bekommen die Jugendlichen pro Tag. Dafür müssen die Jungs auch beim Einkaufen helfen. Zweimal pro Woche werden die Einkaufskörbe im Einkaufscenter vollgepackt. Am Wochenende kochen die Jugendlichen auch mal selber, zum Teil Spezialitäten aus ihren Heimatländern. „Es ist wichtig, dass ihre Tage Strukturen haben“ sagt Edda Breiting. Zwischen 14 und 18 Jahre alt sind die Jugendlichen. Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Iran, Irak Kamerun, Mali, Guinea oder auch Indien. Oft liegen Wochen oder gar Monate der Flucht hinter ihnen, mit zum Teil traumatischen Erlebnissen. Es komme nicht selten vor, dass einer der Jungs nachts vor der Tür stehe, weil er nicht schlafen kann, erzählt Gerald, der von den meisten hier Papa genannt wird. Eine familiäre Atmosphäre zu schaffen ist dem Leitungstrio sehr wichtig. Bei der Betreuung der Jugendlichen setzen sie auf ein internationales Team. Die zwölf Mitarbeiter kommen aus dem Iran, aus Indonesien, Afghanistan und Rumänien. Fast alle Jugendlichen kommen von der Zentralen Aufnahmestelle Sachsen-Anhalts in Halberstadt. Nicht selten kommt es vor, dass Gerald nachts einen Anruf bekommt und einen der Minderjährigen abholen muss. Nicht alle bleiben dauerhaft in der BVIK Einrichtung Halberstadt, sondern werden entsprechend den Vorgaben auf andere Standorte verteilt. „Wir arbeiten da sehr gut mit dem Jugendamt zusammen“ sagt Edda Breiting. Mit 69 Jahren könnte sie, ebenso wie ihr Mann Gerald, eigentlich schon längst in Rente sein. War sie auch schon. Edda Breiting gehört zum BVIK Urgestein. 2004 hat sie in Helmstedt ‚Ein Euro Jobber‘ betreut, kurz darauf übernahm sie in Königslutter die Leitung des Sozialkaufhauses. Ab 2015 baute sie in Hornhausen, einem Ortsteil von Oschersleben, eine Einrichtung für Unbegleitete Minderjährige Ausländer auf. 2019 ging sie zusammen mit ihrem Mann in Rente. Das Leben hätte ruhiger werden könne. Wurde es aber nicht. Irgendwie war es ihnen dann doch langweilig, erzählen beide lachend. Auf die Frage von BVIK Geschäftsführer Ullrich Heller, ob sie nicht in Halberstadt eine Einrichtung für ausländische Jugendliche aufbauen könnten, folgte eine schnelle Antwort. Schnell ging es dann auch weiter. Im Dezember 2022 wurden die Wohnungen umgebaut und eingerichtet, wenig später konnten die ersten Jugendlichen aufgenommen werden. Seitdem sind die Tage wieder ausgefüllt, mit Behördengängen und Arztbesuchen, mit zuhören, mit Problemen lösen und deutsch vermitteln. Den Breitings zur Seite als Stellvertreterin steht seit März 2023 Danielle Glöckner. Die 24jährige ist staatlich anerkannte Erzieherin und sammelt nun die notwendige Praxiserfahrung, um möglicherweise in zwei Jahren die Leitung der Halberstädter Einrichtung übernehmen zu können. Doch bis dahin bilden sie ein eingespieltes Dreierteam.