Ein Lächeln, Hamburger und keine Langeweile

Murtaza, ein dünner, hochgewachsener Junge aus Afghanistan kommt auf Krücken gelaufen, bleibt im Türrahmen stehen, begrüßt Edda und Gerald Breiting, sowie Danielle Glöckner in ihrem Büro. Vor wenigen Wochen wurde er am Becken operiert und macht nun erstaunliche Fortschritte. “Viele Jahre seines jungen Lebens hatte er täglich Schmerzen“ erzählt Elli. Eigentlich Danielle, aber alle nennen…

Kategorie: JWC Halberstadt

  • Ein Lächeln, Hamburger und keine Langeweile

    Ein Lächeln, Hamburger und keine Langeweile

    Murtaza, ein dünner, hochgewachsener Junge aus Afghanistan kommt auf Krücken gelaufen, bleibt im Türrahmen stehen, begrüßt Edda und Gerald Breiting, sowie Danielle Glöckner in ihrem Büro. Vor wenigen Wochen wurde er am Becken operiert und macht nun erstaunliche Fortschritte. “Viele Jahre seines jungen Lebens hatte er täglich Schmerzen“ erzählt Elli. Eigentlich Danielle, aber alle nennen sie nur Elli. Nun könne Mutarza endlich wieder lächeln. Wie zur Bestätigung huscht ein Lächeln über sein
    Gesicht, bevor er mit seinen beiden Krücken wieder langsam zurück geht in sein Zimmer.
    Der 16 jährige Afghane ist einer von 22 Jungs in der BVIK Einrichtung für unbegleitete Minderjährige Ausländer in Halberstadt. Es ist ein ganz normaler Wochentag. Mutarza kann wegen seiner Operation derzeit nicht zur Schule gehen, die anderen Jungs schon. Gegen Mittag kommen die Ersten heim. Die
    Schule ist gleich um die Ecke.

    Hausmutti Silvia Fähse-Kautzsch hat inzwischen das Mittagessen fertig. Es gibt Hamburger, mit Gurken, Tomaten und allem was dazu gehört.
    Vier Mahlzeiten bekommen die Jugendlichen pro Tag. Dafür müssen die Jungs auch beim Einkaufen helfen. Zweimal pro Woche werden die Einkaufskörbe im Einkaufscenter vollgepackt.
    Am Wochenende kochen die Jugendlichen auch mal selber, zum Teil Spezialitäten aus ihren Heimatländern.
    „Es ist wichtig, dass ihre Tage Strukturen haben“ sagt Edda Breiting.
    Zwischen 14 und 18 Jahre alt sind die Jugendlichen. Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Iran, Irak Kamerun, Mali, Guinea oder auch Indien.
    Oft liegen Wochen oder gar Monate der Flucht hinter ihnen, mit zum Teil traumatischen Erlebnissen.
    Es komme nicht selten vor, dass einer der Jungs nachts vor der Tür stehe, weil er nicht schlafen kann, erzählt Gerald, der von den meisten hier Papa genannt wird. Eine familiäre Atmosphäre
    zu schaffen ist dem Leitungstrio sehr wichtig. Bei der Betreuung der Jugendlichen setzen sie auf ein internationales Team. Die zwölf Mitarbeiter kommen aus dem Iran, aus Indonesien, Afghanistan und Rumänien.
    Fast alle Jugendlichen kommen von der Zentralen Aufnahmestelle Sachsen-Anhalts in Halberstadt.
    Nicht selten kommt es vor, dass Gerald nachts einen Anruf bekommt und einen der Minderjährigen abholen muss. Nicht alle bleiben dauerhaft in der BVIK Einrichtung Halberstadt, sondern werden entsprechend den Vorgaben auf andere Standorte verteilt. „Wir arbeiten da sehr gut mit dem Jugendamt zusammen“ sagt Edda Breiting.
    Mit 69 Jahren könnte sie, ebenso wie ihr Mann Gerald, eigentlich schon längst in Rente sein. War sie auch schon. Edda Breiting gehört zum BVIK Urgestein.
    2004 hat sie in Helmstedt ‚Ein Euro Jobber‘ betreut, kurz darauf übernahm sie in Königslutter die Leitung des Sozialkaufhauses. Ab 2015 baute sie in Hornhausen, einem Ortsteil von Oschersleben, eine Einrichtung für Unbegleitete Minderjährige Ausländer auf.
    2019 ging sie zusammen mit ihrem Mann in Rente. Das Leben hätte ruhiger werden könne. Wurde es aber nicht. Irgendwie war es ihnen dann doch langweilig, erzählen beide lachend. Auf die Frage von BVIK Geschäftsführer Ullrich Heller, ob sie nicht in Halberstadt eine Einrichtung für ausländische Jugendliche aufbauen könnten, folgte eine schnelle Antwort.
    Schnell ging es dann auch weiter. Im Dezember 2022 wurden die Wohnungen umgebaut und eingerichtet, wenig später konnten die ersten Jugendlichen aufgenommen werden. Seitdem sind die Tage wieder ausgefüllt, mit Behördengängen und Arztbesuchen, mit zuhören, mit Problemen lösen und deutsch vermitteln.
    Den Breitings zur Seite als Stellvertreterin steht seit März 2023 Danielle Glöckner. Die 24jährige ist staatlich anerkannte Erzieherin und sammelt nun die notwendige Praxiserfahrung, um möglicherweise in zwei Jahren die Leitung der Halberstädter Einrichtung übernehmen zu können. Doch bis dahin bilden sie ein eingespieltes Dreierteam.